Virtuell, aber konkret: AAV-Fachtagung „Boden und Grundwasser“ mit Neuentwicklungen aus Politik und Praxis

Bohrung zur Niederbringung einer der fünf Sanierungsbrunnen in Bad Salzuflen im Jahr 2018 [©Dr Kerth & Lampe]
Bohrung zur Niederbringung einer der fünf Sanierungsbrunnen in Bad Salzuflen im Jahr 2018 [©Dr Kerth & Lampe]

 

von Christa Friedl, Wissenschaftsjournalistin

Wer sich für Flächenrecycling und Altlastensanierung interessiert, den kann auch Corona nicht abhalten: Die Fachtagung „Boden und Grundwasser“ des AAV – Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung fand auch in seiner online-Version große Resonanz. Rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer informierten sich am 28. Januar virtuell über neue politische Entwicklungen und Beispiele aus der Sanierungspraxis.

Im Schatten von Corona hat die Mantelverordnung wichtige Hürden genommen. Am 6. November 2020 billigte der Bundesrat das lange umstrittene Gesetzeswerk in einer von den Ländern neu erarbeiteten Version. „Damit können im weiteren Gesetzgebungsverfahren keine Detailänderungen mehr vorgenommen werden“, konstatierte Prof. Jens Utermann, der sich als im Düsseldorfer Umweltministerium schon lange mit der Verordnung beschäftigt.

Die Mantelverordnung auf der Zielgeraden

Die Mantelverordnung mit ihren zwei Hauptbestandteilen – der neuen Ersatzbaustoffverordnung und einer novellierten Bundesbodenschutzverordnung -  vereinheitlicht bundesweit die Anforderungen an Auf- oder Einbringen mineralischer Materialien und definiert schädliche Bodenveränderungen, methodenspezifische Eluatwerte und mögliche Ausnahmeregelungen beim Auf- und Einbringen von Stoffen. „Es ist zu begrüßen, dass wir erstmals ein ausgewogenes und einheitliches Regelwerk erhalten haben.“, betonte Dr. Ernst Werner Hoffmann, Moderator der Fachtagung und Bereichsleiter Technik beim AAV.

Die novellierte Bundesbodenschutzverordnung (BBodSchV) wird für die Altlastensanierung und das Flächenrecycling mehr Klarheit bringen. Sie schärft wichtige Begriffe im Umgang mit Böden und mit schädlichen Veränderungen und konkretisiert Vorsorgeregelungen. „Die positiven Auswirkungen wiegen schwerer als mögliche Nachteile“, urteilt der Essener Fachanwalt Nikolaus Steiner.

Vorteile für Sanierung und Flächenrecycling

Positiv seien die verbindlichen Normen zur Verwertung mineralischer Stoffe in technischen Bauwerken, Gruben und Abgrabungen. Die neuen Dokumentations-, Aufbewahrungs- und Anzeigepflichten führten zwar zu einem bürokratischen Mehraufwand, zugleich aber auch zur besseren Nachverfolgung des Verbleibs mineralischer und womöglich belasteter Materialien. „Vor allem die erweiterten Ausnahmeregelungen zur Umlagerung von Bodenmaterial und Baggergut erleichtern die Altlastensanierung und das Flächenrecycling“, ist Steiner überzeugt. Die Umlagerung am Herkunftsort oder in dessen Umfeld ist unter vergleichbaren Bodenverhältnissen künftig möglich. Ähnliches gilt für das Umlagern in Gebieten oder räumlich abgegrenzten Industriestandorten mit erhöhten Schadstoffgehalten. Dies ist laut Steiner besonders dann von Bedeutung, wenn Sanierung und Neu-Nutzung des Areals Hand in Hand gehen.  

Auch die Regelungen für Untersuchung, Vorerkundung, Probenahme und Analyseverfahren wurden ergänzt. Die Probenahme ist laut der neuen BBodSchV künftig von Sachverständigen zu planen, zu begleiten und zu entwickeln, während für Durchführung akkreditierte oder notifizierte Untersuchungsstellen zuständig sind.

Noch hat die Mantelverordnung nicht alle Hürden im Gesetzgebungsverfahren genommen –die Zustimmung des Kabinetts steht noch aus, zudem muss die Neufassung erneut bei der EU notifiziert werden. Auch wenn die Verordnung in ihrer jetzigen Form verabschiedet wird – sie ändert  nichts am Prinzip, dass es bei der Altlastensanierung stets um eine Einzelfallbetrachtung geht. Wie unterschiedlich Sanierungsprojekte tatsächlich sind, zeigen zwei Beispiele, die bei der Fachtagung vorgestellt wurden.

Sanierung in Bad Salzuflen: Meerwasser mitten in der Stadt

Ein ungewöhnlicher Fall schlummert im Herzen der Altstadt von Bad Salzuflen. Das Wasser unter dem historischen Marktbrunnen, so fand man 2003 heraus, ist mit leichtflüchtigen Chlorkohlenwasserstoffen (LCKW) kontaminiert. „Spannend an diesem AAV-Projekt ist insbesondere, dass die Belastung nur in einer Süßwasserlinse nachweisbar ist“, erläuterte Dr. Michael Kerth, Sachverständiger der Dr. Kerth + Lampe Geo-Infometric GmbH in Detmold. Diese Süßwasserlinse schwimmt auf mineralisiertem Grundwasser, dessen Salzgehalte teilweise höher sind als die der Nordsee. Die Sole steigt aus größeren Tiefen auf und wurde früher zur Salzgewinnung verwendet, heute nutzt die Stadt die salzhaltigen Wässer für Kur- und Heilzwecke.

Seit Dezember 2020 wird das belastete Süßwasser über eine Brunnengalerie abgeschöpft.  „Die Förderrate ist gering, um den Anteil der mitgeförderten Sole klein zu halten“, so Kerth. Die hohen Salzgehalte im Grundwasser sind eine Herausforderung für die Anlagentechnik, insbesondere die Pumpen. Bisher zeigt sich, dass die installierte Brunnengalerie das belastete Süßwasser vollständig abschöpfen und eine Abdrift von LCKW über die Brunnengalerie hinaus verhindert werden kann. Ungewöhnlich an diesem Fall ist auch, dass die Schadstoffquelle nach wie vor unbekannt ist. „Die Suche danach ist in der eng bebauten Altstadt sehr schwierig,“ weiß Kerth. Vermutlich liegt die Quelle auf dem Gelände einer ehemaligen chemischen Reinigung, von dem belastetes Hofwasser über eine unterirdische Leitung abfloss.  

Sanierung in Düren: Erzhalde birgt Schwermetalle

Ein komplexer Fall ist auch die Sanierung der Bergehalde Beythal in Düren. In die Halde wurden rund vier Millionen Kubikmeter Flotationsrückstände, Sande und Erzreste aus dem ehemaligen Blei-Zink-Bergbau verfüllt. Im Zentrum steht die Frage: Reicht das Puffervermögen der Ablagerungen auf lange Zeit aus, um den sauren Austrag von Schwermetallen zu verhindern? „Das AAV-Projekts zielt darauf, den Wasserhaushalt der Bergehalde so stabil einzustellen, dass keine Gefahren für das Grundwasser ausgehen,“, erläutert Dr. Peter Rosner vom Ingenieurbüro Heitfeld-Schetelig GmbH in Aachen.

In den vergangenen Jahren haben die Aachener Experten die Sickerwasserpfade untersucht, Stofftransporte in der Halde und deren Umfeld simuliert und Möglichkeiten zur Sickerwasserminimierung geprüft. „Untersuchungen von repräsentativen Bohrproben zeigen, dass das Haldenmaterial keine Säuren generiert, es ist also auch längerfristig nicht mit einem Schwermetallschwall im Grundwasser zu rechnen“, resümiert Rosner aktuelle Messergebnisse. Das derzeitige Konzept aus Sickerwasserfassung und Neuversickerung auf der Halde kann daher beibehalten werden. Zusätzlich schlagen die Aachener Experten vor, die Wassermenge durch stärkeren Bewuchs der Haldendämme zu mindern und on-Site eine passive Sickerwasseraufbereitung einzurichten. Sie könnte kostengünstig die Gehalte an Zink reduzieren und mit Hilfe von aeroben Biofiltern die Sulfatbelastung reduzieren.

Altlastensanierung und Flächenrecycling sind stets eine interdisziplinäre Herausforderung. Umso wichtiger, dass sich Sanierungspflichtige, Gutachter, Planer, Behördenvertreter und Sanierungsunternehmen eng austauschen. Hoffmann: „Daher hoffen wir als AAV, dass unsere Fachtagung im Jahr 2022 wieder als Präsenzveranstaltung und mit den gewohnt intensiven, persönlichen Gesprächen stattfinden kann.“

Ein ausführlicher Bericht über die Tagung erscheint in Ausgabe 2 der Zeitschrift altlasten spektrum.

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