Mantelverordnung hat die Ziellinie erreicht

Banner Bodenschutzpreis NRW 2021

von Christa Friedl, Wissenschaftsjournalistin

Eine schier endlose Geschichte hat doch ein Ende gefunden: Der Bundesrat stimmte vergangenen Freitag (25.6.) der Mantelverordnung zu, um die Bund, Länder und Industrie 16 Jahre lang gerungen haben. Mit der neuen Ersatzbaustoffverordnung (EBV), vor allem aber der Neufassung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) werden die Vorgaben für Erkundung, Probenahme, Sicherung und Sanierung von Altlasten modernisiert und an neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst.

Gefahrenabwehr bleibt oberste Priorität

Auch wenn der Text der Mantelverordnung im Laufe der Jahre immer wieder verändert und umgearbeitet wurde – wesentliche Grundsätze im Boden- und Grundwasserschutz bleiben erhalten: Bei Altlastensanierung und Flächenrecycling hat das Ziel der Gefahrenabwehr oberste Priorität.

Dekontaminationsmaßnahmen müssen dazu geeignet sein, Schadstoffe zu beseitigen oder zu vermindern. Sicherungsmaßnahmen gewährleisten, dass die im Boden oder in Altlasten verbleibenden Schadstoffe keine Gefahr für den Einzelnen oder die Allgemeinheit bedeuten. Werte oberhalb der Gefahrenschwelle sind unbedenklich, solange der Wirkungspfad dauerhaft unterbrochen ist. Die jeweilige Gefahrenschwelle „ist jeweils abhängig von den Umständen des Einzelfalls und wird in der Regel oberhalb der Prüfwerte liegen, die unter Berücksichtigung von weitestgehend ungünstigen Umständen abgeleitet wurden,“ formuliert die revidierte BBodSchV.

Seit Inkrafttreten der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung im Jahr 1999 ist viel Zeit vergangen. In dieser Zeit hat die Forschung wichtige Erkenntnisse erlangt, die für die Erkundung und Bewertung kontaminierter Flächen von Bedeutung sind. Beispielsweise haben Wissenschaftler und Gutachter in den vergangenen Jahren Transportprozesse modelliert und untersucht, welche Inhaltsstoffe unter welchen Bedingungen und in welchen Zeiträumen wohin wandern oder wie bestimmte Stoffe im menschlichen Körper resorbiert werden. Damit hat sich das Wissen über die Ausbreitung von Schadstoffen in Boden und Grundwasser und die Gefährlichkeit für den Menschen enorm erweitert.

Qualität zählt!

Zudem legt die Neufassung einen Fokus auf Qualität der durchgeführten Untersuchungen. Neu sind beispielsweise Anforderungen an die Probenahme. Firmen, die Proben nehmen, müssen bei einer nach DIN EN ISO/IEC 17025 oder DIN EN ISO/IEC 17020 akkreditierten oder nach Regelungen der Länder gemäß § 18 Satz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes notifizierten Untersuchungsstelle ihre Fachkunde nachweisen. „Gerade die Probenahme ist einer der größten Fehlerfaktoren“, betont Prof. Jens Utermann, Leiter des Referats Bodenschutz und Altlasten beim Umweltministerium NRW und Mitglied im AAV-Vorstand.

Zudem hat die Neufassung die Zahl der stofflichen Parameter deutlich erweitert. Künftig müssen z. B. auch sieben per- und polyfluorierte Chemikalien analysiert werden. Eine deutliche Verbesserung bringen veränderte Bewertungsgrundlagen für den Wirkungspfad Boden-Grundwasser. Hier ist künftig die Analyse eines Eluats mit einem Wasser/Feststoff-Verhältnis von 2:1 vorgeschrieben, bislang lag das Verhältnis bei 10:1. „Damit werden Analysen auch geringerer Konzentrationen genauer und schärfer“, sagt Utermann.

Eine Erleichterung bringen die Regelungen für Umlagerung und Zwischenlagerung von Bodenmaterial für große, integrierte Industriestandorte. Die Umlagerungsklausel sieht vor, dass Boden künftig am Herkunftsort oder unter vergleichbaren Bedingungen im räumlichen Umfeld um- und zwischengelagert werden kann. „Damit liegt nun eine Regelung vor, die den Begriff Standort praxisnah auslegt“, urteilt der Verband der Chemischen Industrie. Durften bislang Materialien nur an der gleichen Stelle wieder eingebaut werden, können sie jetzt überall auf dem Standort eingesetzt werden.

Scharfe Kritik an Länderöffnungsklausel

Scharf kritisiert wurde bis zuletzt die Länderöffnungsklausel in der BBodSchV, die erst im März auf Druck des Bundesbauministers Eingang in den Text fand. Im § 8 heißt es: „Die Länder können Regelungen treffen, dass auch andere Materialien zur Verfüllung genutzt werden und Überschreitungen der Werte zulässig sind, wenn nachgewiesen wird, dass eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung erfolgt.“ Das heißt, Länderbehörden können auch künftig erlauben, dass z. B. Baugruben neben Bodenmaterial und Baggergut auch mit nicht aufbereiteten Bauabfällen verfüllt werden.

Diese Klausel stehe „in diametralem Gegensatz“ zum Ziel der Mantelverordnung, kritisierten die Bundesratsausschüsse für Umwelt, Verkehr und Wirtschaft in einer Empfehlung im Vorfeld der Abstimmung. Für den Grundwasserschutz sei das ein fatales Signal. Allerdings fand sich im Bundesrat für eine schriftliche Entschließung, die diese Schwachstelle brandmarkt, keine Mehrheit. Utermann: „Viele dachten sich, besser ein Kompromiss als gar keine Mantelverordnung.“

Die neuen Verordnungen treten voraussichtlich im Sommer 2023 in Kraft und sollen erstmals im Jahr 2025 auf ihre Wirkung hin evaluiert werden.

Zurück