Gastbeiträge

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Flächenrecycling - Zukunftsaufgabe für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen

Nordrhein-Westfalen gehört zu den wenigen Regionen weltweit, die seit Jahrhunderten durchgehend industriell geprägt sind. Die Industrialisierung hat dabei in ihrer Entwicklung in allen Teilen des Landes den Rahmen gesetzt für die Siedlungs- und Wirtschaftsstrukturen wie wir sie kennen. Blickt man heute auf Nordrhein-Westfalen, so hat sich aus dieser langen Historie ein einzigartiger und vollständiger Verbund von Wertschöpfungsketten entwickelt. Dieser Verbund erstreckt sich über verschiedenste Wirtschaftssektoren und Branchen und reicht dabei vom Rohstoffabbau über die energieintensiven sowie die verarbeitenden und vor allem geschlossenen Industrien bis hin zu den industrienahen Dienstleistungen. Diese leistungsfähigen Wertschöpfungsketten sind einer unserer wesentlichen Wettbewerbsvorteile und in ihrer Vollständigkeit ein Alleinstellungsmerkmal.

Wettbewerbsfähige industrielle Wertschöpfungsketten sind jedoch keine Selbstverständlichkeit, sondern müssen kontinuierlich durch intelligente Rahmenbedingungen gepflegt und durch Investitionen weiterentwickelt sowie ausgebaut werden. Andernfalls drohen nicht nur einzelne Elemente, sondern große Teile von Wertschöpfungsketten und die mit ihnen verbundenen attraktiven Arbeitsplätze dauerhaft verloren zu gehen. Schaut man auf die industrielle Prägung Nordrhein-Westfalens, so lässt sich festhalten, dass langfristig neue industrielle Strukturen immer wieder alte, nicht mehr wettbewerbsfähige Strukturen ersetzt haben. Damit dieser Wandel auch in Zukunft weiter gelingt, braucht es auf allen Ebenen eine Strategie zur Gestaltung sowie Nutzung unserer Flächen. Eine Strategie allein reicht aber nicht, vielmehr sind handlungsfähige Akteure gefragt, die die Pläne konsequent und zügig umsetzen.

Der AAV – Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung ist seit nun 30 Jahren ein wichtiger Akteur dieses andauernden Strukturwandels. Es ist ein Gebot der Nachhaltigkeit, Flächen am Ende ihrer bisherigen Nutzung für eine neue Nutzung aufzubereiten, statt sich für neue Nutzungen einfach an unbebautem Freiraum zu bedienen. Das Alleinstellungsmerkmal des AAV besteht darin, dass er sich um Altlasten und Brachflächen kümmert, die oft hochkomplex sind und deren Sanierungskosten sich nicht vollständig durch die Folgenutzung tragen lassen. Der AAV besetzt damit passgenau eine Lücke und wird über seine Ursprungsidee der Flächensanierung mit dem Ziel der Abwehr von Gefahren hinaus tätig. Heute und auch in Zukunft ist es unverzichtbar, die Gefahren in Boden und Wasser zu beseitigen, die von unsanierten und oft auch „herrenlos“ gewordenen Grundstücken für das jeweilige Umfeld ausgehen.

Verfolgt der AAV seine Rolle als Dienstleister und Lösungsanbieter konsequent weiter, so bleibt er ein unverzichtbarer Akteur. Nachhaltige Industrieflächenaufbereitung ist heute und in Zukunft deutlich mehr als reine Gefahrenabwehr durch Recycling von Altlasten. Um aus Sicht von Wirtschaft und Industrie Entwicklungspotenziale für den AAV aufzuzeigen, sollen noch zwei wichtige Themenfelder skizziert werden:

Wenn Unternehmen heute Wachstumschancen sehen und bereit sind, in neue Produktionsflächen und -anlagen zu investieren, sind große Herausforderungen zu bewältigen. Dies ist zum einen der zunehmende Fachkräftemangel und zum anderen ein Mangel an geeigneten und kurzfristig verfügbaren Industrieflächen. Nach Einschätzung des NRW-Wirtschaftsministeriums sind etwa in der Metropole Ruhr nur etwas mehr als die Hälfte der gewerblich verfügbaren Flächen tatsächlich auch als solche nutzbar. Es schmerzt zu sehen, welche Wachstums- und Beschäftigungspotenziale wir infolge des Flächenmangels derzeit vergeben. Gemeinsam muss es Politik, Verwaltung und Wirtschaft gelingen, viel schneller Nachnutzungen für Brachen zu entwickeln, diese planungsrechtlich zu sichern und in der Realität auch baulich umzusetzen. Ein gelungenes und hochaktuelles Beispiel für die geforderte Beschleunigung in allen Prozessen ist die Entwicklung des ehemaligen Opel Werks in Bochum. Dieses stillgelegte Automobilwerk, das ursprünglich selbst als Nachfolgenutzung auf einem ehemaligen Zechengelände errichtet wurde, konnte binnen drei Jahren bis zum Baubeginn der ersten Nachnutzung entwickelt werden. Die jüngsten Großinvestitionen international führender Unternehmen in diese aufbereitete Fläche sind klare Vertrauensbeweise für die als Vorleistung erbrachten Anstrengungen aller Akteure. Wir brauchen mehr Beispiele, bei denen uns die Folgenutzung in diesem Tempo gelingt. Der AAV kann mit seiner Expertise dabei ein Katalysator solcher Prozesse sein.

Eine andere Form der Folgenutzung steht im Fokus des zweiten Zukunftsfeldes. Leider wird es uns nicht gelingen, jede zuvor industriell genutzte Fläche auch im gleichen Umfang für eine industrielle Nachnutzung aufzubereiten. Insbesondere bei kleinteiligen Brachen führt die Aufbereitung stattdessen oft zum Nutzungswechsel. Die Projektliste des AAV belegt dies eindeutig. Während gerade bei innerstädtischen Brachen die Errichtung von Wohnimmobilien oder Einzelhandel oft die sinnvollste Nachnutzung für eine aufbereitete Fläche darstellt, gilt es für die restlichen nicht industriell zu nutzenden Altlasten oder Brachen neue Wege zu gehen. Wer die Schonung des Freiraums ernst nimmt, muss auch beim Ausgleich von Eingriffen innovativ denken.

Wir befürworten daher die Aufbereitung von Brachen und Altlasten mit dem Ziel einer Anschlussnutzung als attraktive Ausgleichsfläche. Dies wäre sinnvoll, um den richtigen Ansatz „Qualität vor Quantität“ praktisch durch Flächenaufwertung umzusetzen. Bei entsprechenden Projekten des AAV bietet sich bei solchen Modellen auch die Chance, die Wirtschaftlichkeitslücke deutlich zu verkleinern. Auf Grund ständig steigender rechtlicher Schutzanforderungen werden wir weiterhin neue Industrie- und Gewerbegebiete in Randbereichen von Siedlungen ausweisen müssen.

Umso weniger können wir es uns als dicht besiedeltes Land leisten, die ohnehin bestehende Flächenkonkurrenz durch Ausgleichsflächen künstlich zu verschärfen.

Die Expertise des AAV ist bei Verwaltung, Politik und Wirtschaft als wichtiger Ratgeber auch für Sanierungsprojekte in eigener Verantwortung hoch geschätzt und auch stark nachgefragt. Sie wurde in den letzten 30 Jahren bei der Sanierung einer Vielzahl von frühindustriellen Deponien, ehemaligen Tankstellen oder textilen Reinigungen sowie Industriebrachen aufgebaut. Wir wünschen dem AAV als Partner in der Flächenaufbereitung auch für die kommenden Jahrzehnte alles Gute!

Alexander Felsch
Geschäftsführer Wirtschafts- und Umweltpolitik Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen e.V. (unternehmer.nrw)